Verständlichkeit, englisch-deutsche Unterschiede und ethische Sprache
Die Patienteninformation und Einwilligungserklärung spielt eine zentrale Rolle im Rekrutierungsverfahren. Sie soll ausreichend informieren und motivieren, eine Teilnahme zu erwägen und später die Studienanforderungen einzuhalten. Es liegt auf der Hand, dass Einwilligungserklärungen zu diesem Zweck möglichst ansprechend und einladend sein sollten. Sehr häufig ist das nicht der Fall, wie in Untersuchungen immer wieder bemängelt wird[1].
Lesbarkeit und Verständlichkeit
„Aufgrund der […] Phänotypen der […]-Knockout-Maus […] wird das Prüfmedikament als teratogen eingeschätzt“ (aus einer Einwilligungserklärung, im Original Englisch).
Schwer verständliche Einwilligungserklärungen sind ein weit verbreitetes Problem. Dabei ist das Verstehen der Informationen zur Studie eine zentrale Voraussetzung für die freiwillige Teilnahme. Ein erschwerter Zugang zu wesentlichen Informationen beeinträchtigt also nicht nur die Rekrutierung, er wirft auch ethische Fragen auf.
Was erschwert das Verstehen von Patienteninformationen?
· Zu lange, unzureichend gegliederte Texte
· Nicht erklärte Fachbegriffe
· Sprachliche Mängel (komplizierte und unverständliche Ausdrucksweise, Anglizismen, semantische und syntaktische Fehler usw.).
Forschungsarbeiten zum Thema führen mehrere Gründe für Probleme in diesem Bereich auf:
- Die „Illusion der Einfachheit“: Patienteninformationen werden in der Regel von Fachleuten geschrieben, die oft nicht erkennen, welche Erklärungen für Laien verständlich sind. Im Bereich klinische Forschung kommt hinzu, dass Einwilligungserklärungen und die restliche Studiendokumentation meist von den gleichen Autoren verfasst werden. So kann es passieren, dass Patienten Inhalte und Formulierungen aus dem Studienprotokoll „vorgesetzt“ bekommen, die für sie schwer verständlich oder für ihre Entscheidung über eine Studienteilnahme gar nicht relevant sind.
- Komplexe Inhalte: Bei Patienteninformationen in der klinischen Forschung sind die Anforderungen an das Textverständnis höher als in der Standardversorgung.
- Priorität der fachlichen Korrektheit: Verständlichkeit ist zwar ebenfalls gesetzlich vorgeschrieben, aber nähere Ausführungen dazu fehlen (etwa die verbindliche Anwendung von Lesbarkeitstests).
- Gesetzliche Vorgaben: Vorgeschrieben sind u.a. Angaben zur Versicherung und zum Datenschutz, die sehr viel Platz einnehmen können und ein Grund dafür sind, dass Patienteninformationen in klinischen Studien oft viel zu lang sind. Im Durchschnitt haben Patienten 20 Seiten zu verarbeiten, was die Aufnahmekapazität vieler Kandidaten deutlich übersteigt.
Das Verstehen von Einwilligungserklärungen kann durch einfachere Formulierungen, klarere Textstruktur und Grafiken erheblich verbessert werden[2]. Inhaltliche Veränderungen sind dabei in der Regel nicht erforderlich, können aber nach Absprache vorgenommen werden, wenn die entsprechenden Informationen nicht gesetzlich vorgeschrieben oder für die Entscheidung zur Teilnahme relevant sind.
Bewährte Mittel zur Verbesserung der Verständlichkeit, die Autoren und Übersetzer verwenden können, sind:
1. Prüfung des fertigen Textes mit Lesbarkeitsformeln (z. B. Flesch-Index, Wiener Sachtextformel), die im Internet zu finden sind. Lesbarkeitsformeln berechnen das Leseniveau, das für das Verstehen des Textes erforderlich ist. Im englischsprachigen Raum ist meist ein Kompetenzniveau der Klassenstufe 8 vorgeschrieben. Für deutsche Texte gibt es keine offizielle Empfehlung.
2. Klare Textgliederung: Überschriften, Gliederungspunkte, wichtige Informationen an den Anfang, neue Absätze für neue Themen, Vermeiden überflüssiger Wiederholungen.
3. Grafiken: Tabellen, Diagramme, Abbildungen, die das Verständnis unterstützen.
4. Satzbau: maximale Satzlänge 20 Wörter, durchschnittliche Satzlänge etwa 13 Wörter; nur eine neue Information pro Satz, einfache Satzstellung (möglichst wenig Nebensätze).
5. Terminologie: Laienbegriffe, wenn möglich, verständliche Erläuterungen von Fachbegriffen, Vermeiden von Abkürzungen und Anglizismen.
6. Stil: aktive statt passiver Wortwahl, konkrete statt allgemeiner Beschreibungen, Verben statt Substantive.
Unterschiede zwischen Deutsch und Englisch
Die englische Sprache kennt wesentlich weniger Laienbegriffe als die deutsche; deshalb sind die entsprechenden Fachbegriffe einer englischsprachigen Leserschaft auch eher geläufig. Gleiches trifft auf medizinische Abkürzungen zu. Diese Unterschiede müssen Autoren und Übersetzer natürlich berücksichtigen. Zudem sind manche Begriffe nicht deckungsgleich: So wird etwa die übliche Übersetzung für „subject“ – „Proband“ – in Deutschland meist nur im Zusammenhang mit Phase-0-Studien verwendet. (Der Begriff „Subject“ für Studienteilnehmer steht allerdings aufgrund seines passiven Beiklangs schon seit einiger Zeit in der Kritik[3].)
Auch das allgemeine Sprachempfinden und die Erwartungen an die Art der Informationsübermittlung unterscheiden sich zwischen deutsch- und englischsprachigen Lesern:
· „Gesprächsstil“ oder sachlicher Stil: Besonders amerikanische Autoren schreiben gern etwas formloser. Zum Beispiel sprechen sie ihre Adressaten immer wieder direkt an. Auch deutsche Ethikkommissionen und Autoren empfehlen zwar die direkte Ansprache, das sollte aber nicht zu weit gehen. Bei einem geschriebenen Text kommt es deutschen Lesern eher auf den Inhalt als auf eine Interaktion mit dem Autor an. „Falls Sie eine gebärfähige Frau sind” klingt auf Deutsch doch sehr merkwürdig.
· Ausdrückliche oder inbegriffene Informationen: Auch hier spielt zum Teil die formlosere Wortwahl im Englischen eine Rolle, die sich im Deutschen nicht ohne Weiteres anbietet. „Once you know about the study“ würden deutsche Leser in wörtlicher Übersetzung wahrscheinlich als unklar und etwas flapsig empfinden, da sie eher eine eindeutige, explizite Darstellung von Informationen erwarten.
Ethische Sprache
Manche gängigen Formulierungen in Einwilligungserklärungen lesen sich nicht wie eine Einladung. Es ist zum Beispiel nicht nachvollziehbar, warum immer wieder von der „Eignung“ von Patienten für die Studienteilnahme die Rede ist. Aus Sicht von Patienten geht es darum, ob diese Studie für sie die richtige ist, nicht um ihr „Abschneiden“ bei der Voruntersuchung. Andere Beispiele sind:
· Studienteilnehmer „unterziehen sich“ einem Verfahren: das bedeutet, sie nehmen etwas Schwieriges oder Unangenehmes auf sich. Auf diesen Begriff kann leicht zugunsten einer neutralen Formulierung (z. B. „durchführen lassen“) verzichtet werden.
· Patienten „leiden“ unter einer Krankheit – vielleicht aber auch nicht. Wir wissen nicht, was Patienten empfinden, und sollten darüber nicht spekulieren.
Selbstverständlich sollen angsterzeugende Formulierungen vermieden werden. „This could lead to your death“ hat schon im Original einen unnötig erschreckenden Beigeschmack, wörtlich übersetzt verstärkt sich die Wirkung noch.
Fazit
Gute Patienteninformationen haben Patienten im Blick. Mit relativ einfachen strukturellen und sprachlichen Mitteln können Autoren und Übersetzer wesentlich zur Verbesserung der Kommunikation im Rekrutierungsprozess beitragen und das Aufklärungsgespräch unterstützen.
Weiterführende Literatur:
Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen (2008). Merkblatt zur Verwendung der Mustertexte für die Patienten-/Probanden-information und -einwilligung. https://www.ak-med-ethik-komm.de/docs/MerkblattSommertagung08endg.doc
Baumert, A. (2016). Leichte Sprache – Einfache Sprache. Literaturrecherche, Interpretation, Entwicklung. https://serwiss.bib.hs-hannover.de/frontdoor/deliver/index/docId/697/file/ES.pdf
Chalmers, I. (1999). People are “participants” in research. BMJ, 318(7191): 1141. doi: 10.1136/bmj.318.7191.1141a
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[1] Herschel (2009); Munley et al. (2018); Reinert et al. (2014), Sharp (2004).
[2] Zum Beispiel zeigte sich in einer Studie von Knapp et al. (2011, BMC Medicine), dass nach entsprechenden Veränderungen 66 % der Teilnehmer die Patienteninformationen auf Nachfrage finden und selbst erläutern konnten – im Vergleich zu 15 % bei der Ausgangsversion der Einwilligungserklärung.
[3] Chalmers, I. (1999).
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